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 Unter der Rubrik "Aktueller O-Ton" werden Interviews mit Ehemaligen auf unsere Website gestellt. 


 

Interview mit Prof. Dr. h.c. Thomas Krämer


Wie bist Du zur Musik gekommen?

Durch mein Elternhaus. Dort wurde viel Hausmusik gemacht und irgendwann wurde mir, weil mein Vater eine Geige im Keller hatte, diese in die Hand gedrückt. Mit Geige konnte ich mich aber nicht wirklich anfreunden, auch weil mein Anfangsunterricht ziemlich rigide war. So hing ich eher am Tasteninstrument herum, habe Akkorde gegriffen und Harmonien gesucht. Deshalb kamen meine Eltern schnell auf die Idee, dem Jungen doch eher Klavier- und später Orgelunterricht zu ermöglichen.

Und als es dann ans Studium ging: Wieso bist Du nach Detmold gegangen? Es gibt ja immerhin 25 Musikhochschulen.

Erstens lag Detmold für jemanden aus Lübbecke mit 30 Kilometern Entfernung topographisch am nächsten. Zweitens hatte die damalige „Musikakademie Detmold“ einen hervorragenden künstlerischen Ruf, was mich veranlasste, es bei diesem Institut zu probieren. Es klappte gleich im ersten Anlauf.

Gibt es irgendwelche Erlebnisse oder Persönlichkeiten, die Dich besonders geprägt haben in Detmold?

Geprägt haben mich vorrangig Professoren und eine Professorin, die damals tätig waren. Sie gehörten ja der Kriegsgeneration an und hatten ihrerseits oft keine gezielte methodische Ausbildung, gingen vielmehr Kraft ihrer künstlerischen und charismatischen Persönlichkeit zu Werke. Ich erinnere mich besonders gerne an Martin Stephani, Alexander Wagner, Johannes Driessler, Hinrich Luchterhandt, Monika Quistorp – und nicht zuletzt an den jungen Martin Redel, der, als ich mit dem Studium anfing, gerade das Detmolder Gehörbildungssystem peu á peu von Monika Quistorp übernahm.

Du hast inzwischen eine ganze Anzahl von Büchern geschrieben über Musiktheorie und allgemein Musikalisches. Was hat Dich dazu veranlasst. Es gibt schon sehr viele Bücher auf diesem Sektor.

Vor meinem ersten und bekanntesten Buch, der „Harmonielehre im Selbststudium“, hatte ich das große Glück, per Zufall die damalige Chefin von Breitkopf & Härtel, Frau Sievers, zu treffen. Mit ihr besprach ich das Konzept des Selbststudiums am Rande eines Sektempfangs. Sie sagte: „Schicken Sie mir doch ein Exposé.“ Aus dem Exposé ist dann das Buch entstanden – und es wurde ein Erfolg. Die Bücher, welche ich danach geschrieben habe, waren Anregungen von Breitkopf & Härtel.

Auch bei Wikipedia kann man lesen, dass Du sowohl Musiktheoretiker, Komponist, Organist und Dirigent bist. Würdest Du irgendeines von diesen Gebieten als Schwerpunktthema ansehen?

Ganz klar die Musiktheorie. Ich fühle mich nicht im herkömmlichen Sinne als Komponist. Ich profitierte von einem sehr bodenständigen Unterricht bei Johannes Driessler und wollte Komposition­­ als ein Fach kennenlernen, das jenseits von Regelfeldern und Einengungen der Harmonielehre eine freie ästhetische Dimension hat – das war’s dann auch. Später habe ich viel anlassbezogen und projektbezogen komponiert. Heute schreibe ich kaum noch.

Du warst acht Jahre Rektor der Hochschule für Musik Saar. Was für Ziele hattest Du, und welche hast Du erreicht und welche vielleicht nicht?

Man muss wissen: Saarbrücken ist die kleinste deutsche Musikhochschule. Sie hatte damals eine eher konservative Tradition und war sehr auf sich fokussiert. Kirchenmusik, Klavier und Orchestermusik waren die zentralen Ausbildungsfelder. Meine Absicht bestand darin ­– das war Mitte der Neunziger Jahre – die Hochschule für die Öffentlichkeit fit zu machen und zu modernisieren. So habe ich eine Homepage einrichten lassen, die Hochschulzeitschrift „alla breve“ ins Leben gerufen, Professuren umgewidmet und mit Sponsoren und Institutionen Netzwerkarbeit betrieben, um die Musikhochschule viel fester ins Kulturleben des Saarlandes zu verankern.

Interessanterweise warst Du ja auch „Frauenbeauftragter“ an der Hochschule. Heute heißt es ja wohl „Gleichstellungsbeauftragte“, wie auch immer. Sind die Rechte von Frauen an Musikhochschulen gegenüber denen von Männern wirklich eingeschränkt?

Nein! Aus meinen Erfahrungen als kommissarische Frauenbeauftragte überhaupt nicht. Ich habe in unzähligen Berufungskommissionen gesessen, sowohl in Detmold wie insbesondere auch in Saarbrücken und noch heute in Luxemburg. Frauen- und Geschlechterfragen spielten dort nicht wirklich eine Rolle. Es wurde das Material gesichtet und danach votiert, wer aufgrund der Aktenlage einzuladen war. Entsprechend fielen dann die Entscheidungen zur Liste. Fast immer war dann übrigens eine Frau exzellent platziert, ohne dass man eingreifen musste.

Und welche Rolle spielt oder welchen Stellenwert hat nach Deiner Pensionierung die Musik, die Musikpraxis, die Musiktheorie?

Bevor ich das Rektoramt übernahm, habe ich eine sehr intensive dirigentische Tätigkeit ausgeübt. Heute beschränke ich mich auf gelegentliche Orgelvertretungen. Ich kann Musik jetzt viel entspannter hören und genieße auch andere Stilbereiche als früher – etwa Opern von Puccini. In Detmold wurde damals so gut wie nie Puccini gemacht. Ausgerechnet Giselher Klebe sagte mir aber vor 45 Jahren einmal auf der Treppe im Pädagogikhaus: „Herr Krämer: Verdi ist gut, Wagner ist gut, aber der Beste von allen ist Puccini“. Daran muss ich heute oft denken, wenn eine Puccini-Oper läuft. Ich bin der Erste, der dann eine Karte kauft.

Nun bist Du auch Mitglied des Alumnivereins der Detmolder Musikhochschule geworden. Warum?

Weil ich die Institution Detmolder Musikhochschule nach wie vor in allerbester Erinnerung habe und zudem der Meinung bin, dass die jetzige Generation, sowohl die Studentengeneration wie auch die Hochschullehrergeneration, durchaus mal zurückschauen sollte, ob man von den Altvorderen noch etwas an Anregungen, an Traditionen und an Werten mitbekommen kann. Wobei ich nie zu denen gehöre, die sagen: „Früher war alles besser“. Nein - früher war vieles anders! Heute hechelt man aus meiner Sicht etwas allzu schnell dem Zeitgeist hinterher. Aber wie sagte einst August Everding? „Wer den Zeitgeist heiratet, der wird bald Witwer sein“. Und das war immer meine Maxime: nicht radikal alles sofort ändern, sondern ganz in Ruhe nachschauen, wie es früher gewesen ist und Anpassungen so vornehmen, dass alle Generationen davon profitieren können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Martin Christoph Redel.

Mehr über Prof. h.c. Thomas Krämer unter https://de.wikipedia.org