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 Unter der Rubrik "Aktueller O-Ton" werden Interviews mit Ehemaligen auf unsere Website gestellt. 


 

"Ja, so war's"

Persönliche Erinnerungen von Gunhild Münch-Holland an die Frühzeit der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold (heute „Hochschule für Musik“)

Gunhild Münch-Holland, geborene Urhahn, geboren im Mai 1922 studierte Violoncello in Salzburg (Hoelscher) und Weimar, ehe sie von 1946 bis 1952 ihr Studium bei Hans Münch-Holland in Detmold fortsetzte. Anschließend studierte sie Gambe bei Johannes Koch (Hamburg) und konzertierte mit diesem Instrument mehrere Jahrzehnte weltweit.  

 Liebe Frau Münch-Holland! 

Sie haben als Gunhild Urhahn schon Cello-Meisterkurse bei Professor Hans Münch-Holland, Ihrem späteren Ehemann, in Detmold besucht, als es die Musikakademie noch gar nicht gab. Wie wurden Sie auf diese Kurse aufmerksam?

 Mein Elternhaus war in Düsseldorf und nach dem Abitur 1941 begann mein Berufsstudium im Fach Violoncello. Erst in Düsseldorf, Anfang 43-44 am Mozarteum in Salzburg und Herbst 1944 bis Kriegsende in Weimar (die einzige Hochschule, die bis Kriegsende geöffnet war) und endete mit einem Gepäckmarsch, Rucksack, Koffer und Cello von Weimar zurück nach Düsseldorf.

Dort hörte ich durch eine Freundin aus Bielefeld von Cellokursen, die Prof. Münch-Holland in Detmold plante, in Hiddesen „Haus Sauerländer“.

Der erste Kursus begann im Oktober 1945. Anfangs waren es 9 Studierende, die monatlich für eine Woche nach Detmold zum Unterricht reisten. Doch bald kehrten die Soldaten vom Krieg zurück, und so wuchs die Zahl der Studierenden auf 14, die privat bis zur Gründung der „Nordwestdeutschen Musikakademie“ von Münch-Holland unterrichtet wurden.

Aber es ist uns nie geglückt, an einem Tag von Düsseldorf nach Detmold zu kommen: entweder Bielefeld oder Paderborn waren am Abend Endstation, also Wartesaal bis zum Frühzug.

Leider war von der Detmolder Straßenbahn – 5 Kilometer nach Hiddesen – die Brücke zerstört. So wanderten wir morgens nach Hiddesen, kauften bzw. hamsterten einige Lebensmittel auf dem Wege (Milch, Mehl, Haferflocken), aus denen uns im „Haus Sauerländer“ ein Essen bereitet wurde.

   Wo konnten Sie denn üben? 

Die Vorbereitung zu den Kursen fand in der kursfreien Zeit statt. Am Unterricht von Münch-Holland nahmen alle Studierenden teil, spielend oder zuhörend, mit Pausen zum Essen, Wandern und Besichtigen der später in Frage kommenden Akademie-Gebäude. 

Können Sie sich noch an die Situation im Palais erinnern, wo der Elch im Flur stand?

Ja, (lacht) mit dem Schild „Dies Rindvieh gehört nicht zur Akademie“ stand dran. 

Haben Sie den Eindruck gehabt, dass die neu gegründete Musikakademie in der Stadt Detmold mit Sympathie aufgenommen worden ist, oder hat man das kritisch gesehen?

Ja, das waren ziemlich heftige Debatten damals mit den Stadtvätern, erzählte mein Mann. Der damalige Bürgermeister Dr. Moes kam ins „Haus Sauerländer“ und bat Münch-Holland, seine Kurse dem Detmolder Konservatorium anzugliedern. Münch-Holland meinte, das sei gar nicht schlecht, aber wenn, müßte es eine Streicherakademie oder Hochschule werden.

Seine nächste Konzertreise brachte Münch-Holland nach Münster. Dort saß auch der nordrhein-westfälische Finanzminister Hermann Hoepker Aschoff. Münch-Holland kannte ihn von Konzerten in Berlin und Schloss Elmau und machte ihm klar, wie schön ein so unzerstörter Ort wie Detmold als Studienort für Musikstudenten sei. Hingegen alle Großstädte in Schutt und seine alte Wirkungsstätte, die Kölner Hochschule, total zerstört.

Jedenfalls war Hoepker Aschoff von all dem sehr angetan, wollte es aber erst nochmal mit seiner Frau besprechen. Nach dem Essen trafen sie sich wieder und er rief begeistert: „Meine Frau hat gesagt, ‚kriegen Sie‘“.

Ja, so wars.

Aber noch wichtiger waren die Kontakte Münch-Hollands zur Besatzungsmacht, den Engländern. Er unterrichtete eine englische Majorin am Cello aus dem Hauptquartier in Bünde und gab jeden Monat dort Konzerte gegen Zigarettenhonorar. So wurden die Engländer gleich mit in die Akademiepläne einbezogen. 

Gab es Möglichkeiten für Kammermusik?

Nein, die entwickelten sich erst mit dem Wachsen der Akademie, z.B. mit der Verpflichtung des Strub-Quartetts, dessen Bratscher [Hermann Hirschfelder] für dieses Fach vorgesehen war. 

 Man schaue sich an, wie viele namhafte Künstler auf der Mozartstraße eng beieinander gewohnt haben, „Dudeldorf“ genannt…

Hat Ihr Mann denn niemals überlegt, Direktor der Akademie zu werden?

Nein, er war konzertierender Künstler, aber für Prof. Wilhelm Maler [1] immer eine zweite Hand. Maler wurde auch unser Trauzeuge (1952). 

Gab es auch bereits ein Akademieorchester?

Nein, noch nicht. Aber es gab das Detmolder Landestheaterorchester. Als Dirigent wurde Hans Richter-Haaser [2] aus Dresden nach Detmold verpflichtet. Dort gab es für fortgeschrittene Studenten die Möglichkeit, ab und zu zur Aushilfe verpflichtet zu werden.

Welche künstlerischen Projekte der ersten Jahre waren nach Ihrer Meinung besonders herausragend?

            Gleich zu Beginn gab es eine Ausstellung der Bilder von Christian Rohlfs, dessen Witwe hier in Detmold wohnte. Die Einweihung fand mit einem Konzert auf dem Treppenhaus-Podest des alten Studenteninternates der Akademie statt. (Bild unten). Max Strub [3] und Münch-Holland spielten das Duo (Violine und Violoncello) von Ravel. Es wurde extra moderne Musik zur Eröffnung ausgesucht und am Rande gab es noch Einiges von Hindemith.

Altes Studentenwohnheim

 

 Wann (und warum) haben Sie sich eigentlich umgestellt von Cello auf Gambe? 

Zu Beginn meiner Ehe mit Hans Münch-Holland wurde Kurt Thomas [4] an die Akademie verpflichtet. Er hatte mich öfter in seinen „Passionskonzerten“ mit Viola da Gamba gebraucht und meinte: Wie wäre es, wenn Sie sich ausschließlich für dieses Instrument entscheiden würden?“ Nach kurzer Überlegung war ich dazu bereit.

Zu gleicher Zeit hatte die Akademie einen Lehrstuhl für „alte Musik“ eingerichtet. Hans-Martin Linde (Blockflöte) und Johannes Koch (Viola da Gamba) waren bereits verpflichtet.

  Und warum ist es dann nicht weiter gegangen?

Weil Maler, der Initiator, nach Hamburg an die Hochschule ging und sein Nachfolger Stephani die Verpflichtungen wieder rückgängig machte. Ich studierte also weiter in Hamburg bei Johannes Koch und hatte anschließend eine wunderbare lange Konzerttätigkeit bis zum 72. Lebensjahr auf manchem Podium im In- und Ausland.  

Liebe Frau Münch-Holland. Ich bedanke mich ganz herzlich für das nette Gespräch und wünsche Ihnen alles Gute. 

Das Gespräch mit Frau Gunhild Münch-Holland, Studierende der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold seit Oktober 1946, führte am 20. Dezember 2019 Martin Christoph Redel.

Eine wissenschaftliche Darstellung der Gründung der Detmolder Hochschule findet sich unter 
Richard Müller Dombois: „Die Gründung der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold“, 
Beiträge zur westfälischen Musikgeschichte, Heft 13. Hagen 1977

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[1] Wilhelm Maler (1902-1976): Gründungsdirektor der NWD Musikakademie Detmold (1946-1959)
[2] Hans Richter-Haaser (1912-1980): Professor für Klavier (1946-1963)
[3] Max Strub (1900-1966): Primarius des Strub-Quartetts. Professor für Violine (1947-1966)
[4] Kurt Thomas (1904-1973): Professor für Chorleitung (1947-1955)